Vor nicht allzu langer Zeit beschrieb ich anlässlich der Ausstellung La
mia Bergamo das Gefühl, das hervorgerufen wird, wenn man Mario Donizettis
Haus betritt: “...diese herrliche Wohnung zeigt mindestens genauso wie
seine Malerei eine vollkommen unverwechselbare und einzigartige Empfindsamkeit”.
Bei derselben Gelegenheit erwähnte ich ebenfalls Ermanno Olmis Worte: “Wenn
man die Tür zu seiner Wohnung öffnet, offenbart sich die menschliche Größe
des Künstlers, dem wir uns gegenüber sehen. Farben und Gegenstände
beschreiben mehr noch als Worte eine Persönlichkeit, die ihrer eigenen Linie
treu bleibt”.
Diese Farben und Gegenstände sind nun in der Galerie Arsmedia
in Bergamo, Piazza Accademia Carrara, in Bergamo zu sehen, nur wenige Schritte
vom Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst entfernt. In den Räumen der
Sammlung Spajani erstrahlt dort im Museum erst seit kurzem wieder sein von ihm
selbst restauriertes Gemälde “Gli Istrioni riscoprono la Commedia
dell’Arte” im ursprünglichen Glanz.
Die Design-Ausstellung verkörpert die jüngste Herausforderung des
großen Künstlers aus Bergamo mit der Gegenwärtigkeit und deren Problematiken,
der diese - wie vielleicht kein anderer seiner zeitgenössischen Kollegen
- anging und gewinnen konnte und zeigt kleine, in richtiggehende Kunstwerke
umgewandelte tägliche Gebrauchsgegenstände. Donizetti verinnerlicht die
Entschiedenheit des Respekts für unsterbliche Traditionen, die Gewissheit
stabiler Werte, die Liebe zur Harmonie und laut Ermanno Olmi die Wesentlichkeit des Ansatzes.
Diese Wesentlichkeit des Ansatzes bildet das Gerüst des gesamten Handeln
und Denkens Donizettis, das in der Kühnheit seiner Kreuze, im
Glanz seiner Aktmalereien, in der Schönheit seiner Portraits, in seinen Blumen,
seinen Landschaften, seinen kühnen Schriften über die Philosophie der Kunst,
jedoch ebenfalls in seinen gewagten Zeichnungen und der Gestaltung seiner Gebrauchsgegenstände
zum Ausdruck kommt.
Schmuck aus Eisen, Gold und Silber, Ziergegenstände aus Keramik, Behälter
für Hochzeitskonfekt oder Schmuck, bronzene Basreliefs, schmiedeeiserne
Stative, Rahmen, Tische und Stühle. Beachtenswert sind ebenfalls die
Kompositionen der Innenräume, die Vitrinen, die gedeckten Tische und die
Vorbereitungsstudien für jedes einzelne dieser Werke. Eleganz wird deutlich:
Alles ist eng verbunden mit Funktionalität und daher mit Design.
Iacopo Di Bugno
Gebrauchsgegenstände
im Stil eines Genies
Auf die kleinen Gebrauchsgegenstände verwendet der Künstler ebenso viel
Sorgfalt wie auf seine Gemälde, die würdig neben großen Meisterwerken
ausgestellt sind, wie zum Beispiel in der Anthologie 1983/84 in der Pinacoteca
Ambrosiana. Dies könnte eine Paraphrase der Aussage Caravaggios sein, ein
Bild mit Blumen benötige denselben Aufwand wie ein Bild mit figürlicher
Darstellung. Seinen Worten gemäß sei ein
Maler tüchtig, wenn er gut malen könne und in der Lage sei, gut natürliche
Dinge wiederzugeben.
Wer Mario Donizetti persönlich und nicht nur durch seine Gemälde kennt,
dem ist ebenfalls die während des gesamten Zeitraums der Fertigstellung eines
Werks bleibende und wachsende Begeisterung bekannt, die jeder seiner neuen Ideen
vorausgeht und folgt. Donizetti hegt den Wunsch, dass all seine Werke Sorgfalt
und Perfektion offenbaren: Sorgfalt im Sinn von Liebe als dem anderen und
passenderen Ausdruck für diese Empfindung, Perfektion im Sinn von Zweckerfüllung
und Übereinstimmung mit der Wahrheit der Dinge, sodass jeder, der diese Dinge
sieht, sie nicht nur erkennt,
sondern auch aussagen kann, dass sie schön sind; alles wird so unter
Zuhilfenahmen von Figuren von der Vergänglichkeit losgelöst. Nun ist wohl ein
Zitat Donizettis selbst angebracht, zu lesen auf Seite 92 seiner Abhandlung über
Ästhetik Perché figurativo
(Corponove 1992) “Die perfekte Darstellung eines Stuhls hängt von der Schönheit
oder Mangelhaftigkeit des Stuhls als solchem ab”.
Durch die Ausstellung dieser Gebrauchsgegenstände hat er den Willen oder vielleicht besser den Wunsch, in die Wohnungen der Personen einzutreten, die die Schönheit lieben und seine Kunst schätzen - er würde sich dort gerne verewigen, nicht nur im Geiste eines an der Wand hängenden Bilds, sondern in den Händen der Bewohner oder auf einem Möbelstück.
Er hat den Willen oder besser den Wunsch, den Lieben in Form eines Geschenks
etwas zu vermitteln, wie zum Beispiel den Verwandten von Hochzeitspaaren oder
einem neu geborenen Kind. Gebrauchsgegenstände nennt er diese kleinen
Meisterwerke, Gegenstände des täglichen Gebrauchs: schmiedeeiserne Rahmen und
Ständer für seine Bilder, Tische, Hocker und Stühle aus Eisen und
Kristallglas, Behälter für Hochzeitskonfekt, auf denen sich Magnolienzweige
miteinander verranken, kleine Blumen und kleine Portraits in Rahmen essentieller
Schönheit, Keramikteller, Pralinenschachtel mit von ihm gestalteten Pralinen in
der verkleinerten Form eines Basreliefs mit dem Profil Gaetano Donizettis als
Hommage des Malers an den von ihm geliebten Musiker.
Es gibt eine Reihe von Dingen, die diese beiden großartigen Künstler aus Bergamo miteinander vereinen und die vielleicht nur wenigen bekannt sind: Der Pariser Kunstkritiker Bruno Lancelot schreibt, “in Bergamo auf den Hügeln habe die Familie Donizetti seit dem 19. Jahrhundert auf der ganzen Welt Bewunderung hervorgerufen. Heute sei nach Gaetano Donizetti, dem berühmten Opernkomponisten, Mario Donizetti, der Malerphilosoph an der Reihe. Diesem sei ebenso viel künstlerisches Talent zuteil geworden wie seinem Vorfahren, jedoch im Bereich der Malerei, um auf romantische Weise schöne Frauengestalten zu rühmen. Es werde im Übrigen erzählt, der große Musiker habe sich als etwa Dreizehnjähriger an der erst seit kurzem als Hinterlassenschaft des Grafen eröffneten Schule Carraro eingeschrieben und träumte davon, Maler zu werden. Mario hingegen hegte den Wunsch, Musiker zu sein”.
Über Donizetti selbst wollen wir hier nichts weiter sagen, auch nicht über
das, was er gemacht oder geschrieben hat und ebenfalls nicht über das, was über
ihn gesagt wurde. Die Kurzbiografie und die umfassende Bibliografie in diesem
Katalog sind mehr als aussagekräftig. Erwähnen wollen wir jedoch zumindest die
Verwunderung, die auch diejenigen empfinden, die ihn nunmehr seit Jahrzehnten
genau kennen, wenn sie in der Basilika in Pontida neben den beiden Fresken Risurrezione
di Lazzaro und Figliol Prodigo das herrliche Altarbild San
Giuseppe sehen, das Donizetti als noch nicht einmal Zwanzigjähriger so
innovativ und gleichzeitig auch im Hinblick auf die Heilige Schrift so
traditionell malte, dass weder Schule, noch moderne Zeit, sondern nur sein Genie
ihm den Anstoß dafür geben konnten.
Silvana
Milesi